Mini.Stadt – der Phönix aus der Ostschweiz
9620 Lichtensteig, Schweiz · 1.900 EinwohnerWie Mini.Stadt entstanden ist
Bis in die 1970er Jahre erinnerte die rund 2.000-Einwohner-Gemeinde Lichtensteig eher an eine Stadt als an ein Dorf: Der Handel blühte, geprägt durch die Textilindustrie und Banken. Dann folgte ein Strukturwandel, Unternehmen machten dicht, rund 300 Menschen zogen weg und Häuser und Fabriken standen leer. Als dann 2008 auch noch die Nachfrage nach einer Immobilie aus dem Rotlichtmilieu kam, reichte es der Bevölkerung und der Stadtverwaltung. Am Tiefpunkt angelangt erfanden die Lichtensteiger:innen ihren Ort neu.
Politiker:innen, Organisationen, Vereine und rund 140 Bürger:innen schlossen sich zusammen und machten aus der Schwäche von Lichtensteig seine Stärke. Denn die verlassenen Gebäude im Ort bieten Platz für Ideen. 2013 wurde nach einer Stadtanalyse ein Beteiligungsprozess gestartet, aus dem bislang 35 Bürgerprojekte entstanden sind. Die haben den Leerstand im Ortskern mehr als halbiert, neue Bewohner:innen angelockt und Lichtensteig modernisiert.
Seitdem hat Lichtensteig ein Macherzentrum mit integriertem Co-Working-Space, einen hybriden 24/7-Genussladen mit regionalen Spezialitäten und digitalem Zugang, eine Gemeinschaftswerkstatt für 35 Handwerker:innen und Kulturschaffende in einer alten Industriebrache und eine virtuelle Zeitbank für Nachbarschaftshilfe. Die Stadtverwaltung zog in das ehemalige Bankgebäude und machte im Rathaus Platz für Künstler:innen, die nun dort arbeiten und leben und den Ort bereichern. Fast alle Projekte in Lichtensteig haben einen Fokus auf Gemeinsinn, Gemeinschaft und Zusammenkommen. Es finden regelmäßige Treffen statt, zu denen alle eingeladen sind, um ihr Umfeld mitzugestalten.
Mit einem Mini.Museum in einer Telefonzelle und der ChääsWelt Toggenburg mit einem Online-Shop für 36 lokale Produzent:innen wollen die Lichtensteiger:innen auch Tourist:innen in ihr Dorf locken. In diesem Jahr kooperieren sie mit dem Programm Summer of Pioneers – und ermöglichen kreativen Stadtmenschen das Probewohnen auf dem Land. So wollen sie zusätzlich urbane Konzepte nach Lichtensteig bringen und von dem Austausch profitieren.
Wer hinter dem Projekt steckt
Den Anstoß gaben der Bürgermeister und die Stadtverwaltung. Sie haben es geschafft, die Bürger:innen, Organisationen und Institutionen zu begeistern und einzubinden und ein Ökosystem zu kreieren, das die Beteiligten ermutigt, ständig Neues auszuprobieren und sich zu engagieren. Ein Schlüssel zum Erfolg ist die gut funktionierende Netzwerkarbeit: Die Gemeinde kooperiert mit Stiftungen und Genossenschaften und ist aufgeschlossen für Impulse von außen.
Welche digitalen Möglichkeiten Mini.Stadt nutzt
Die Stadt kommuniziert über Social-Media-Kanäle und nutzt in einem Pilotprojekt die Schwarmintelligenz auch digital. Sie bietet Online-Dienste für Anträge und Formulare. Es gibt einen Newsletter für Standortmarketing. Auch die jeweiligen Projekte nutzen digitale Möglichkeiten: Der hybride 24/7-Laden ermöglicht mithilfe des Führerscheins oder Personalausweises einen Einkauf rund um die Uhr – weitere Geschäfte übernehmen die Zugangsmöglichkeiten. Der Co-Working-Space organisiert hybride Machertreffs und Social-Media-Coaching für Kleinunternehmer:innen. Zahlreiche hybride und digitale Veranstaltungen sollen die Reichweite in der Region erhöhen.
Wie Mini.Stadt das Leben vor Ort bereichert
Lichtensteig profitiert nicht nur dadurch, dass Leben in die leeren Gebäude zurückkehrt und ständig neue Angebote und soziale Treffpunkte entstehen. Weil die Ideen von den Bürger:innen selbst, von Unternehmen und Organisationen kommen, identifizieren sich die Menschen stärker mit ihrem Ort. Ihre Freude am Ausprobieren beschwingt nicht nur das Leben in Lichtensteig – die ständig neuen Pop-ups ziehen auch Menschen aus anderen Regionen oder Städten in die strukturschwache Region.
Wo sich die Mini.Stadt Lichtensteig befindet
Lichtensteig liegt in der Schweiz im Toggenburg (Kanton St. Gallen) und ist mit seiner historischen Altstadt Mitglied im Verein „Die schönsten Schweizer Dörfer“. Die frühere UBS-Filiale in dem 2.000-Einwohner-Ort, gegründet als Toggenburger Bank im Jahr 1863, ist Ursprung der heute größten Bank der Schweiz. Heute tagt die Stadtverwaltung in dem Gebäude.
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